Mittwoch, 17. Dezember 2008

Literal Video Versions

DustoMcNeato fragt: "Ever wish songs just sang what was happening in the music video?" und antwortet: "Well now they do."

Sogenannte "literal video versions" sind ziemlich lustig. Darüber hinaus würde ich behaupten, dass sie tiefgehende Fragen zur Phänomenologie unserer Interaktion mit Video (online sowie offline) aufwerfen und teilweise auch beantworten.

Lang lebe die Literalität!

2 Kommentare:

Ulfonso hat gesagt…

Bingo! Das erinnert mich wieder an meinen wunderbaren Broterwerb. Es gibt in der Werbung den schönen Spruch: "Neger vor Hütte". Abgesehen davon, dass das rassistisch klingt/ist, und ich keine Ahnung habe, wie das genau entstanden ist (und es vielleicht auch lieber nicht wissen will), bezeichnet diese negative Aussage eine Motividee (z.B. für eine Anzeige), in der die Headline mehr oder weniger genau das Bild beschreibt. Wenn man also auf dem Bild der Anzeige ein Kind sieht, das Handstand macht, und als Headline steht daneben: "Kinder sollten öfter Handstand machen", dann ist das ein Beispiel für "Neger vor Hütte". Mit anderen Worten: Man langweilt den Rezipienten mit einer Bild-Text-Dopplung, statt zum Beispiel zu schreiben "Mit Sport stellen Kinder die Welt auf den Kopf", bei der der Leser den Zusammenhang selbst herstellen, also ein Stück weit aktiv werden bzw. interagieren muss. Das jetzt mal nur so in die Tüte gesprochen (ha, noch so ein blöder Werbespruch - dieser heißt: nicht wörtlich, sondern weitgehend sinngemäß nehmen, muss noch übertextet werden).
In anderen Kontexten spricht man auch gern von "Involvement" und meint damit, dass man die Zielgruppe dazu bringt, sich mit der Sache auseinanderzusetzen, also sich zu "involvieren". Das umfasst bereits die ersten beiden Schritte der klassischen Werberformel AIDA - Attention, Interest, Desire, Action.
In Zeiten von Internet (1.0 und z.T. auch 2.0) heißt das dann gern auch mal "Interaktivität".

Aber davon abgesehen: Wie sähe wohl eine Phänomenologie unserer Interaktion mit Video aus? Und gibt es den Begriff Literalität eigentlich? Im Duden konnte ich ihn gerade nicht finden. Wenn nicht: Vielleicht sollten wir eine kleine Definition entwickeln, das Ganze patentieren lassen, damit endlich megasteinreich werden und uns ganz viele Hütten (ohne dunkelhäutige Mitmenschen) an ganz vielen Orten der Welt kaufen, wo wir dann schludrige Tanzvideos drehen und Texte dazu singen wie "Now I'm dancing in front of my Singapore hut").
Ach ja, das wär doch nett...

shane hat gesagt…

"Involvement," "Interaktivität," "Attention," "Interest," "Desire" und "Action," aber auch "Immersion," "Ablenkung" und verwandte Begriffe: das sind gute Anhaltspunkte für das, was ich eine Phänomenologie unserer Interaktion mit Video gennant habe.

Was ich im Sinne hatte, war ungefähr so: Um zu verstehen, wie etwas funktioniert, ist es oft sinnvoll zu gucken, wie es aufhört, normal zu funktionieren. (Frankenstein: Um das Leben zu verstehen, muss man den Tod erforschen. Oder wie es bei Andy Warhol's Frankenstein so schön heißt: To understand life, you've got to fuck it in the gall bladder!) Diese "Methode" steckt natürlich hinter aller Analyse, Sezieren usw. Diese literal video versions machen die normalen Relationen zwischen Zuschauer, Ton (Wort und Klang), und Bild (narratives sowie nicht-narratives) irgendwie kaputt, sodass eine gewisse kritische Distanz entsteht. Doch anders als die Distanz, die ein Filmkritiker einnimmt (oder die der Leser seiner Texte einnimmt), ist beim gucken von den literal videos nicht so ein großer Kluft zwischen dem interessierten, involvierten Zuschauer und seinem Alter Ego des analytischen Kritikers. Wenn ich so ein Filmchen gucke, sehe ich gewissermassen wie so ein Video funktioniert (die Worte lenken meine Aufmerksamkeit auf dem, was mir meistens - wegen Gewöhnung - entgeht: Schnitttechniken usw.). Ich will aber noch sehen was in dem Video passiert, ich bin involviert, und gleichzeitig wird mir bewusst, wie die Bilder und letzendlich meine Aufmerksamkeit oder "visual desire" gelenkt und eingerahmt werden. Es ist diese Gleichzeitigkeit der im Grunde genommen sehr unterschiedlichen Momente, die mich an solchen Videos interessiert.

Übrigens, das wird wohl nichts mit dem Patentantrag: Literalität gibts tatsächlich. Wenn du googlest, findest du z.B. bei Wikipedia den Begriff, wie der in den Medienwissenschaften und verwandten Fächer verwendet wird (im Gegensatz zu Oralität - im nicht freudschen Sinn). Das meinte ich aber eigentlich nicht, sondern habe einfach aus dem Englischen übersetzt, wo der Substantiv "literality" (einfach vom Adjektiv "literal" abgeleitet) benutzt werden kann, ohne groß irgendwelcher "wissenschaftliche" Beigeschmack hervorzurufen. Aber tatsächlich ist das auch ein Wort, was in meiner Arbeit eine wichtige Rolle spielt, nur nicht im oben genannten medienhistorischen Sinne...